Temple Koludra - Temple Koludra    TEMPLE KOLUDRA
    Temple Koludra

    Release:  März 2013
    Label:  Eigenproduktion
    Stil:  Black Metal
    Spieldauer:  25 Minuten
    Punkte:  9 von 10
    Homepage:  www.templekoludra.org

    In der Datenbank seit:  05.03.2013 / 15:00:59
    Gelesen:  1176x  (seit Datenbankeintrag)

>> Neue Horizonte
Unter KOLUDRA versteht sich laut band-eigenen Angaben das "Zusammenwirken des Ganzen". Unter dem Bezeichner der Black Metal-Newcomer TEMPLE KOLUDRA lässt sich folglich das Epizentrum des Wirkens und die damit annotierte Wechselwirkung des Geschehens als abstraktes Wirkungsquantum des Omnipräsenten selbst interpretieren - jedenfalls in meiner subjektivistischen Welt. Ob TEMPLE KOLUDRA es schaffen ihren nicht gerade anspruchslos gewählten Namen ehrhaft zu repräsentieren bleibt vorerst offen.

Eine musikalische Gruppierung für welche zum Zeitpunkt des Rezensionswunsches noch nicht mal in den metallisch-archivistischen Tiefen des Internets ein Spiegelbild zu finden ist, ergattert Otto Normalreviewer selten heutzutage. An der mangelhaften Internetanbindung von den kreativen Köpfen TEMPLE KOLUDRAs kann es freilich nicht liegen: Kaum eine Social Community Plattform ohne dedizierte Bandseite, zusätzlich zur Hausmarke templekoludra.org.

Aber nun mal zu den Soft-Facts. Anno 2010 haben TEMPLE KOLUDRA das Licht der Welt erblickt. Bekritzelt man eine Weltkarte mit Geraden entlang der geographischen Breite auf Höhe Zürich und der Länge auf Höhe Prag, findet man zumindest den weltlichen Ursprung des musikalisch eher spirituell deklarierten Epizentrums, in Frankfurt am Main.

Lediglich zwei Mitglieder nennt TEMPLE KOLUDRA sein Eigen: Während M.W. sich um Instrumente und Arrangements kümmert, kämpft I.H. am Mikrofon - ein Zusammenwirken welches nicht durchgehend als Ganzes wirkt, zweifelsfrei aber in der Oberliga mitspielt. Die Texte sind - laut Bandangaben - sowohl in Norwegisch, Deutsch wie auch Englisch verfasst. Auf den wenigen verlässlichen Quellen lassen sich jedoch nur norwegische Texte der Band finden; nichtsdestotrotz eine bemerkenswerte Facette die nicht viele deutsche Würdenträger dieser Gattung umsetzen (können).

>> Eine Sequentalisierung
Schluss mit lustig, jetzt zum musikalischen Schaffen. Die so garnicht bescheidene Eigeneinschätzung "...zwischen aggressivem, chaotischem, modernem Black Metal und experimentellem Ambient" trifft die Sachlage durchaus nicht schlecht.

Während des zweieinhalbminütigen Introduktionswerkes PANTA RHEI gelingt es TEMPLE KOLUDRA in impertinenter Formgebung dem geneigten Hörer die vagen Umrisse des sich bereits in Hörweite befindlichen Monolithen zu gewähren. Wahrlich finster anmutend, entfaltet sich eine beinah dunkel-instrumentelle Unschärfe, deren basales Fundament sich zweifelsfrei über die mehrfach überlagerte stimmliche Repetativität der Vokalistin definiert. Als Opener exzellent inszeniert, fühlt man sich in einen rituellen Epos versetzt ohne noch die geringsten Vorzeichen auf das eigentliche musikalische Wirken der Band warhnehmen zu können. Ganz ehrlich: Wäre mir diese Nummer als B-Side des letzten MENACE RUINE Langspielers angepriesen worden, ich hätte keine Sekunde gezweifelt.

Mit der zweiten Nummer, I GINNUNGAGAP (ein Titel der von Google Translate übrigens als Isländisch erkannt wird), treffen die hohen Erwartungen schließlich auf das Herzstück der EP. Nach einigen Sekunden wahrhaftig feurigen Samples ertönt die erste verzerrte Gitarre, gefolgt von mächtigem Blastbeat und vielen übereinander gelegten Audiospuren. Schon nach kurzem Hörvergnügen wird klar, die Persönlichkeit welche sich hinter dem Pseudonym M.W. verbirgt, hat augenscheinlich seine Hausaufgaben in Bezug auf Audio-Engineering gemacht (streng genommen sind übrigens sowohl M.W. als auch I.H. keine Pseudonyme, sondern die tatsächlichen Initialen der Musiker, so nebenbei bemerkt - titulo pleno lassen wir den Musikern zu Ehren mal weg). Spätestens zu diesem Zeitpunkt scheint mir die Assoziation mit den ebenfalls deutschen ASCENSION, die sich in rhapsodischer Raffinesse in durchaus ähnlichen auralen Gefilden rumtreiben, wohl gestattet - das gelingt den Frankfurtern jedoch ohne an Originärität einzubüßen oder sich gar Abklatsch schimpfen zu müssen. Wenn nach den ersten beiden Minuten der Gesang einsetzt, wirkt das Riffing gar etwas behemothesk; eine Tangente, welche über die Dauer des Gesamtwerks tatsächlich, und glücklicherweise, nur Tangente bleibt. Ganz ungleich einer handelsüblichen Panzer-Division wirken Blastbeats weder überstrapaziert noch gekünstelt; ein Potpourrie aus starken Drumlines, sehr direkten und breit wirkenden Gitarren sowie etlichen Spuren die der genreuntypische Zyniker als Hintergrundrauschen verstehen könnte, sich allerdings herrlich in das Gesamtkonzept und die hierdurch etablierte Atmosphäre fügt.

Darauf folgt die Nummer RITUALIST, eine der Zweien welche auch auf der 7" Vinyl-Variante wiedergefunden wird. Unerhört setzt RITUALIST auf diverse Akzente die - wohl aus Gründen der eigentlichen Engstirnigkeit von selbst-ernannten Stilikonen ihres Faches - nicht allzuviele Bands heutzutage verwenden, und noch viel weniger den Anspruch auf ihr ureigenes innovatives Hoheitsgebiet stellen können. Für mich stellt die Nummer irgendo zwischen bewusst und unterbewusst eine Hommage an den auditiven Metabolismus, den uns FUNERAL MIST mit ihrem letzten Album beschert haben dar: Experimentelle Song-Strukturen im Mid-Tempo-Format mit Passagen in denen die Gitarrenspuren für Sekunden gänzlich entfallen, hinterlegt mit (gesampelten aber höchst passenden) Bläsern, überlegt mit streng monotonen wenngleich polyphonen Leads, und die ganze Mixtur abgeschmeckt mit rezitativen Sprechgesang, wie ihn auch industrialisierte Metaller all zu oft (und allzu falsch) gerne verwenden.

Mit siebeneinhalb Minuten die längste Nummer stellt ZORNISSEN dar, welche ebenfalls auf der 7" vertreten ist. Beginnend mit archaisch anmutenden Trommeln, versehen mit beinahe übermäßigen Echo-Effekten, wird man in den Bann gezogen; durchwegs von gravitätischer Natur, werden hier jedoch keine neuen Grenzen durchbrochen.

Die finale Nummer VALKAIROS ist instrumental. Mit merklich erhöhter Granularität finden hier melodiöse Gitarrenspuren zueinander, die sich teilweise etwas in der Peripherie des Klangfundaments verlieren. Obgleich die schwarze Aura des Stückes zwischendurch mal etwas an Druck verliert (hauptsächlich durch ein etwas gar zu stil-unechtes Rifffragment - es sei mir verziehen), erreicht die Nummer nach zweieinhalb Minuten einen epochalen Höhepunkt. Retrospektiv, eine gelungene Nummer, aber kein Meilenstein auf der EP.


FAZIT:

>> Wirkungsgrad: A-
Summa Summarum machen TEMPLE KOLUDRA tatsächlich exzellente Musik. Der reguläre Gesang (abseits von stilistischen Abwandlungen kurzer Intermezzos, welche sich im übrigen hervorragend fügen) ist wohl der negativste, enttäuschendste Punkt der EP. Nicht das die Gesangsspuren schlecht wären - ganz und garnicht - aber ein Machtwerk solchen Ausmaßes muss sich eben auch mit Kleinkritikpunkten auseinandersetzen. Das Faktum, dass die Vocals (hauptsächlich) von einer Frau stammen, irritiert - ich persönlich finde das höchst begrüßenswert, immerhin haben bereits eine Hand von Bands mit dieser eher neo-liberalen Line-Up-Strategie vollwert gepunktet. Und genau von diesem Standpunkt aus verkaufen sich TEMPLE KOLUDRA leider unter Wert. Wenngleich etwas anderen Genres entspringend, haben Gruppierungen wie OBSCURE SPHINX und OVERMARS gezeigt, wie sich die in Schwarzmetall gekleidete Frau von heute auch im Umfeld hauptsächlich maskuliner Kollegen des Genres, szene-untypisch nicht nur emanzipieren, sondern durchsetzen und ihre männlichen Kontrahenten in Schutt und Asche zurücklassen kann. TEMPLE KOLUDRA schaffen das leider nicht auf diese Weise; der Gesang wirkt eher leicht-trocken bis mild im Abgang, und skizziert deutlich, dass sich auch weibliche Vokalistinnen dem klassischen etablierten Gesangsparadigma des Black Metal nicht zu unterwerfen haben - eine Revoluation wird dabei jedoch nicht losgetreten. Noch nicht.

Das saiteninstrumentale Riffing selbst wirkt prägnant, stilecht und formgebend. Ein gelungener Cocktail aus entropisch-chaotischem Wirrwarr und partikulär berechenbarer Kälte trifft hier auf einen Musiker der was von Audio Arrangements versteht und hochqualitative Symbiosen aus Rhythmus und Leads generiert, welche trotz ihrer eigentlichen Unvergleichbarkeit einen hohen Grad an Kongruenz aufweisen. Auf der Soll-Seite muss jedoch angeführt werden, dass die Riffs ohne das gekonnte Inszenesetzen jedoch bei weitem nicht ihre volle Wirkung entfalten würden - sekundär, TEMPLE KOLUDRA machen es ja richtig.

Ewiger Streitpunkt ist der Drumcomputer. Zwar zähle ich nicht zu den extremistisch-orientierten Hörern die aus Prinzip jede Platte mit programmierten Drumlines in der Luft zerreißen, jedoch ist diese Kritik leider auch viel zu oft gerechtfertigt und spiegelt Tatsachen wider. Nicht so bei TEMPLE KOLUDRA, tatsächlich klingt die Schlagzeug-Spur hinreichend wenig steril, abwechslungsreich, und stilistisch nicht nur passend sondern auch originell. Niemals langatmig oder von Loops umzäunt, kann sich der geneigte BM-Konsument hier gern mal ganz in der Platte verlieren ohne dass sein präfrontaler Cortex in mikroskopischer Genauigkeit von Millisekunden jeden Beat und Break vorhersagen will.

Die Klangqualität dieser Veröffentlichung ist ungemein hoch, für manchen BM-Puristen wohl gar als überproduziert zu klassifizieren, aber adäquat und hochwertig. Vor 20 Jahren wären für so eine Produktion wohl ein Studio in Skandinavien oder Kanada und mehrere Tausender Startkapital von Nöten gewesen. Nichtsdestotrotz versucht das gekonnte Handwerk nicht Halbherziges zu kalmieren, sondern glänzt vor Synoptik und Sonorität. Müsste ich dieses Erstlingswerk in einem Wort beschreiben: Audiotropismus.

Der finale Negativpunkt ist die Laufzeit von lediglich 25 Minuten. Obgleich für eine EP angemessen, würde ich gerne ein ganzes Album in dieser Qualität hören. Als positiv zu werten ist auch die Kombination von CD und 7", die insbesondere für Debuts eine Randerscheinung darstellt. Dass die auf Vinyl gepressten Songs "Remixe" darstellen wirkt gar befremdlich unter dem Banner des Black Metal - qualitative Aussage kann ich hierüber jedoch keine machen, bin ich doch nur im Besitz einer regulären Promo ohne Extras; ein Detail, das ich bald ändern werde. Post festum: Hut ab, Daumen hoch!

Fazit: 9/10


TRACKLISTE:

01 - Panta Rhei
02 - I Ginnungagap
03 - Ritualist
04 - Zornissen
05 - Valkairos


LINE-UP:

I.H. - Vocals
M.W. - Instruments, Arrangement


KONTAKT:

info (at) templekoludra.org


DEMO-KOSTEN:

€ 12.00 + P&V
P&V Deutschland: € 1.50
P&V World: € 4.00



ERIK

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